Ein Meinungsbeitrag von Michael Hauke

Warum ist Matthias Rudolph vor mehr als vier Jahren von den Fürstenwaldern zum Bürgermeister gewählt worden? Weil viele Menschen nach 28 Jahren Reim und Hengst mehr als ein ungutes Gefühl hatten. Manfred Reim war von 1990 bis 2010 Bürgermeister, Hans-Ulrich Hengst seit 1994 Kämmerer und ab 2010 Bürgermeister. Beide bestimmten fast drei Jahrzehnte maßgeblich die Stadtpolitik. Als Uli Hengst für weitere acht Jahre Stadtoberhaupt bleiben wollte, grätschten die Wähler dazwischen. Die Fürstenwalder wollten einen Wechsel an der Spitze und bescherten Ulrich Hengst eine krachende Niederlage: nur 34,5% stimmten für ihn. Matthias Rudolph erhielt bereits im ersten Wahlgang 52,2% und brauchte keine Stichwahl, um Bürgermeister zu werden.
Manfred Reim, aber erst recht Ulrich Hengst, hatten in der Stadtverordnetenversammlung eine große, fast erdrückende Mehrheit hinter sich. Sie machten Geschäfte, die viele nicht verstanden, die aber im Vertrauen auf den Kämmerer und Bürgermeister von den Stadtverordneten abgenickt wurden – oft erst nachträglich.
Ein Beispiel für die völlig aus dem Ruder gelaufene Politik und die fehlende Kontrolle der Abgeordneten waren die Zins-Swap-Geschäfte aus den Jahren 2007 und 2008, die im Grunde eine Wette auf die Kursentwicklung des Schweizer Frankens darstellten. Auch wenn die ganz große Mehrheit der Abgeordneten und der Bürger nicht im Detail verstehen konnte, was genau dahintersteckte, so wurde doch nach und nach klar, dass die Stadt Fürstenwalde mit viel Steuergeld spekuliert hatte. Am Ende hatte Hengst den von ihm angerichteten Schaden auf sieben Millionen Euro beziffert, andere Stimmen gehen von deutlich mehr aus. Es handelt sich um rund 20% des damaligen Ergebnishaushaltes der Stadt Fürstenwalde! Dass die genaue Summe auch heute nicht wirklich benannt werden kann, liegt an dauernder Verschleierung, gegen die die damaligen Stadtverordneten nicht einschritten, im Gegenteil: an der sie sogar aktiv beteiligt waren. Es mangelte nicht nur an Aufklärungswillen, man wollte das ganze Thema möglichst unter der Decke halten. Viele hatten Hengst im wahrsten Sinne des Wortes blind vertraut. Dass nun ausgerechnet Matthias Rudolph, der seit Jahren an dem Thema dran war, Bürgermeister wurde, konnte der alten Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung nicht gefallen.
Nach jahrelangen Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mit Zustimmung des Amtsgerichtes das Verfahren gegen Hans-Ulrich Hengst und seinen Nachfolger als Kämmerer, Eckhard Fehse, im April dieses Jahres nach §153 (1) Strafprozessordnung ein. Dort heißt es wörtlich: „Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.“ Da ein „und“ zwischen beiden Bedingungen steht, müssen auch beide erfüllt sein. Die Strafverfolgungsbehörden sehen also weder eine ernsthafte Schuld noch ein öffentliches Interesse an der Vernichtung von minimal sieben Millionen Euro an Steuergeldern. Bei allem Respekt vor Staatsanwaltschaft und Gericht bleibt die Einstellung des Verfahrens nur schwer nachvollziehbar. Aber damit ist es amtlich: An so etwas besteht kein öffentliches Interesse! Das Verfahren gegen Manfred Reim war schon vorher wegen Verjährung eingestellt worden.
Matthias Rudolph hatte als einfacher Bürger bereits im Jahr 2010, vor der ersten Amtszeit von Ulrich Hengst, gegen diese Verhältnisse angeschrieben, hauptsächlich in der FW. Aus diesem Engagement heraus entstand eine Wählervereinigung, das Bündnis Fürstenwalder Zukunft (BFZ).
Acht Jahre später war Matthias Rudolph Bürgermeister, hatte aber – wen wundert‘s? – den großen Teil der Stadtverordneten gegen sich. Verständlicherweise wurde der Neue als Störenfried wahrgenommen. Aber genau dafür war er ja angetreten und auch gewählt worden. Aus den Kommunalwahlen im Jahr 2019 ging seine Wählervereinigung dann als der große Wahlsieger hervor. Mit 21,3% wurde das BFZ stärkste Fraktion. Auf den zweiten Platz kam die AfD mit 16,8%. Damit waren die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. CDU (14,9%), Linke (14,1%), SPD (11,2%) und FDP (6,9%), die fast dreißig Jahre lang die Politik und die Posten unter sich ausmachten, landeten auf den hinteren Plätzen. Die Konfrontation zwischen Bürgermeister und Stadtverordneten dauert bis zum heutigen Tag an. Die Fronten wurden nicht aufgeweicht, sie haben sich immer weiter verhärtet.
Die Stadt Fürstenwalde tritt auf der Stelle. Es ist ein Abnutzungskampf geworden. Bürgermeister gegen Stadtverordnete – Stadtverordnete gegen Bürgermeister. Die große Angst geht um: Erfolge und Fortschritte in der Stadt könnten dem Bürgermeister gutgeschrieben werden. Dies wäre nun ganz und gar nicht im Sinne der Mehrheit der Stadtverordneten, also wird verhindert, was den Bürgermeister gut dastehen ließe – das ist der Eindruck vieler Bürger. Sie sehen sich in der jüngsten Entwicklung bestätigt, in der es um das Schwapp geht.
Der Bürgermeister wirbt seit mehr als einem Jahr für die Errichtung der sogenannten Surf-ERA (vgl. FW 10/21 vom 12.05.2021). Es geht um ein großes privates Investment auf dem Gelände des jetzigen Schwapp und parallel um einen Neubau einer Schwimmhalle. Die Stadt Fürstenwalde leidet unter chronischem Geldmangel – als Grund werden in der Stadtverordnetenversammlung immer wieder auch die Swap-Zockereien der Vergangenheit genannt – und stand vor der Entscheidung: Teure Sanierung des Schwapp oder vergleichbar teurer Neubau einer Schwimmhalle und Errichtung eines privat finanzierten Surf-Parks mit integriertem Spaßbad?
Die Frage ist so wichtig, dass man – erstmalig! – die Bürger in großem Stil einbezog. Bei der Bürgerbeteiligung nahmen immerhin 2.275 Fürstenwalder teil. 63% sprachen sich für die private Investition und damit für den Surfpark aus, die auch der Bürgermeister offen präferiert. In einer Art Handstreich beendete die Mehrheit der Stadtverordneten alle Überlegungen in diese Richtung und beschloss zur großen Überraschung vieler Beobachter und maßlosen Enttäuschung der Investoren, dass der Surfpark mit Spaßbad nicht gebaut werden wird – damit entfällt auch der Neubau einer Schwimmhalle. Der Beschluss fiel in derselben Sitzung am 19. Mai 2022, in der auch der Abwahlantrag gegen den Bürgermeister eingebracht wurde. Ist es zu gewagt, zwischen beiden Punkten einen Zusammenhang herzustellen? Oder trifft der Eindruck zu, dass es um Himmels Willen keinen Erfolg des Bürgermeisters geben darf – schon gar nicht im Vorfeld eines geplanten Abwahlverfahrens? Was kurzfristig nach einem Sieg der Gegner des Bürgermeisters aussieht, dürfte ihnen spätestens bei einem Bürgerentscheid auf die Füße fallen. Wer knapp zwei Drittel der teilnehmenden Bürger derart brüskiert und im Affekt alle Pläne zur Surf-ERA und zum Neubau einer Schwimmhalle vom Tisch fegt, dürfte in einem eventuell bevorstehenden Wahlkampf unangenehm daran erinnert werden.
Machen sich die Gegner des Bürgermeisters eigentlich klar, was passiert, wenn der Antrag in der Stadtverordnetenversammlung am 30. Juni nicht die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit erreicht – und wenn doch, Matthias Rudolph den Bürgerentscheid für sich entscheidet? Würde dieser Sieg des BM die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und der Mehrheit der Stadtverordneten endlich auf einen konstruktiven Weg bringen? Schwer vorstellbar.
Am Ende geht es aber nicht um persönliche Befindlichkeiten. Es geht nicht um Bürgermeister oder Stadtverordnete. Es geht um die Belange Fürstenwaldes und seiner Bürger. Nur nebenbei: die Stadt feiert dieses Jahr ihr 750-jähriges Jubiläum. Das rückt bei all dem Theater unschön in den Hintergrund.

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