von Jan Knaupp

„Der Mai ist gekommen, die Straßenlaternen schlagen aus, wem Wahlplakate zu viel sind, der bleibe jetzt zu Haus…“ So oder so ähnlich würde wohl das spätromantische Frühlingsgedicht von 1841 heute, im Mai des Wahljahres 2024, beginnen. Plakate und Banner erinnern uns in den Städten und Ortschaften täglich mit politischen Kurzbotschaften oder Kandidatenkonterfeis, dass für den Wähler der Tag ansteht, an dem er sein Grundrecht nutzen kann und auch sollte. Egal ob zu Fuß, mit dem Rad oder motorisiert, wer unterwegs ist, kommt nicht umhin, sich mit den plakatierten Gesichtern, Parteilogos, Versprechungen und Beschwörungsformeln zu beschäftigen. Doch in diesem Jahr empfinde ich es nicht mehr als so langweilig wie in den Wahljahren zuvor. Da hat oftmals ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel gereicht: „…ach, der schon wieder, den hatten wir doch schon“, „…ach, die schon wieder, deren Phrasen kenne ich doch“, „… Erbarmen, bitte nicht die, die machen es nur noch schlimmer“, „… da geht es doch nur um Machterhalt und Postengeschiebe“.
Doch es scheint sich etwas verändert zu haben. Statt der immer Wiederkehrenden, sind nun endlich auch mal Neue zu entdecken. Die vielen jungen Parteien, Bündnisse, Initiativen und Wählergemeinschaften zeugen von der Unzufriedenheit mit den politischen Zuständen der letzten Jahre. Die neuen Plakatierungen zeigen deutlich den Veränderungswunsch und den Mitbestimmungswillen im Land und in den Kommunen. Es scheint ein Umdenken in der Bevölkerung erfolgt zu sein – weg von Gleichgültigkeit und geduldigem Gehorsam.
Das lässt hoffen!
Die sogenannten Etablierten haben schwer an Vertrauen eingebüßt. Ignoranz, Überheblichkeit und Bevormundung könnten jetzt die Quittung präsentiert bekommen. An den vielen plakatierten Neuzugängen lässt sich erahnen, die fetten Jahre der selbstzufriedenen Politikelite gehen dem Ende entgegen.
Apropos Plakatierungen. Mir ist aufgefallen, die Masse an rot eingefärbten Laternenbehängen scheint übermäßig, ja fast übertrieben. Die Kanzlerpartei scheint das komplette kommunale Kandidatenpotential in den Wahlkampfring geworfen zu haben. Die Zeiten als die SPD ein Selbstläufer in Brandenburg war, scheinen vorbei. Es macht den Eindruck, als ginge den Genossen der Allerwerteste mittlerweile gehörig auf Grundeis.
Wie wäre sonst diese Überplakatierung zu erklären? Masse statt Klasse? Quantität statt Qualität? Tausende Plakate und Banner als Brandmauer gegen alle und jeden, die dem Führungsanspruch der Partei gefährlich werden könnten?
Ich denke, die überdimensionierte Plakatkampagne hätte es nicht gebraucht, wenn man sich schon früher auf die Werte als ehemalige Arbeiterpartei besonnen hätte. Aber wer seine Wurzeln vergisst, der büßt an Glaubwürdigkeit ein.
Da hilft es dann auch nicht, wenn man immer wieder auf den Status einer demokratischen Partei hinweist. Und solange SPD-Galionsfiguren wie Saskia Esken und Nancy Faeser in regelmäßigen Abständen öffentlich auf ihr zweifelhaftes Demokratieverständnis hinweisen, dürfte auch hier die Vertrauenswürdigkeit angekratzt sein.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, ob es den Neuen gelingt, sich gegen alte verkrustete Strukturen durchzusetzen. Und für die SPD und ihre Selbstreflektion wäre es bestimmt nicht schlecht, wenn sie statt auf hohen Rössern zu galoppieren, wieder lernen würde, auf kleinen Ponys zu traben.

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