Von Michael Hauke
Erinnern Sie sich noch an die Bilder von Bergamo? Blöde Frage. Natürlich erinnern Sie sich, und jeder sieht sofort den Militärkonvoi vor sich, der nachts Leichen abholt.
Diese Bilder verfehlten ihre Wirkung nicht. Sie machten den Menschen Angst, vielen sogar Todesangst. Sie waren der Startschuss für alle Corona-Maßnahmen, die wir in den vergangenen zwei Jahren erlebt haben. Kurz darauf setzte ein Foto von in einer riesigen Halle aufgereihten Särgen noch eins drauf. Inzwischen ist bekannt, dass dieses Bild aus 2013 stammt und ums Leben gekommene Bootsflüchtlinge zeigt. Aber gekoppelt wurde dieses Bild mit der Aufforderung, das Virus ernst zu nehmen und zu Hause zu bleiben: „Stay at home!“, lautete die Parole 2020.
Auch wenn viele Menschen inzwischen wissen, wie diese Bilder zustande kamen und dass keine der damit verbundenen Assoziationen auch nur im Geringsten wahr wurde, bleiben sie mindestens im Unterbewusstsein haften und rechtfertigen für viele jede noch so absurde Maßnahme.
Es helfen keine Zahlen, die belegen, dass noch nie so wenige Menschen in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen waren wie während der Pandemie, dass es weniger hospitalisierte Atemwegserkrankungen, dass es weniger künstliche Beatmungen gab als in den Jahren davor, dass es keine Übersterblichkeit gab, dass über 400.000 Mitarbeiter im Gesundheitswesen in der ersten Welle in Kurzarbeit geschickt wurden. Das hilft alles nichts! Die Macht der Bilder überlagert alles. Zahlen wecken keine Emotionen, Bilder schon. Selbst wenn die Menschen wissen, dass alles anders gekommen ist, ist es ein großer Schritt, die Angst abzulegen, die die Bilder von Bergamo und zwei Jahre Dauerbeschallung geschürt haben.
Wenn der Gesundheitsminister für Herbst ein Killervirus ankündigt, das schlimmer wird, als alles bisher Dagewesene, dann verfehlt auch das seine Wirkung nicht. Das Wort „Killervirus“ weckt Emotionen. Davon können sich viele Menschen nicht freimachen, selbst wenn sie rational wissen, dass Lauterbachs am laufenden Band abgelieferten Horror-Prognosen noch nie auch nur im Entferntesten eingetreten sind; das Wort vom „Killervirus“: Es ist in der Welt! Passende Bilder stehen zwar gerade nicht zur Verfügung, aber die Emotionen sind ähnlich.
Ich hatte bereits in den vergangenen Ausgaben kommentiert, dass Lauterbach nicht der Verrückte ist, für den er teilweise gehalten wird. Er weiß ganz genau, was er tut, und er tut es nicht unabgesprochen. Um die Menschen in Angst zu halten, übertrieb er jüngst die offiziellen Todeszahlen des RKI um das 14-fache und behauptete obendrein, die von ihm frei erfundenen „Zahlen werden noch steigen!“
Das ist nicht nur Panikmache, das ist dreiste Lügerei. So agiert er durchgehend seit zwei Jahren, erst als Talkshowdauergast, jetzt zusätzlich mit der Autorität seines Ministeramtes.
Lauterbach ist keineswegs verrückt oder vom Virus besessen, er hat eine klare Agenda. Er treibt – und mit ihm die politische Klasse – ein ganzes Volk in die Psychose, ja in den Wahnsinn. In anderen Ländern fragt man sich, ob Deutschland verrückt geworden sei und erklärt es sich mit der sprichwörtlichen „German Angst“. Aber die muss erzeugt werden!
Am besten erzeugt man Emotionen durch Bilder. Ihr Vorteil ist: Sie sind einfach da, man bekommt sie nicht aus dem Kopf – und: sie werden nicht hinterfragt.
Etwas Ähnliches erleben wir beim aktuellen Krieg. Erst nach den fürchterlichen Bildern von Butscha folgten die massiven Forderungen – insbesondere der Grünen – nach Lieferungen schwerer Waffen in die Ukraine, und es war auf einmal von „Völkermord“ die Rede. Begleitet wird das von einem medialen Großaufgebot. Sofort zeigten die Umfragen, dass 55% der Deutschen dafür sind, schweres Kriegsgerät an die Ukraine zu liefern. Mit 72% Zustimmung stehen die Grünen-Anhänger an – im wahrsten Sinne des Wortes – vorderster Front. Die Bilder von Butscha wecken den Gerechtigkeitssinn: Wir müssen den Ukrainern beistehen!
Die Medien agieren hier genauso einstimmig wie bei den Corona-Maßnahmen. Keiner stellt die journalistische Ur-Frage: Cui bono? Wem nützt es?
Keiner fragt: Hinterlassen die Russen wirklich nach einem geordneten Abzug Hunderte Leichen, die die zwei Tage später einrückenden ukrainischen Truppen vorfinden? Würden sie nicht ihre Spuren verwischen, wenn sie ein solches Massaker an der Zivilbevölkerung begangen hätten? Würden sie nicht die Macht der Bilder fürchten?
„Im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit“, heißt es. Ist es in diesem Krieg anders?
Wir Außenstehende können nicht beurteilen, was wahr ist und was nicht. Wir können nur glauben oder zweifeln. Was wir glauben, kann tatsächlich so gewesen sein. Aber es muss so nicht gewesen sein.
Auch andere Fragen werden nicht gestellt: Verlängern wir durch Waffenlieferungen an eine Partei nicht diesen schrecklichen Krieg? Sorgen wir damit nicht für unzählige weitere Tote auf beiden Seiten?
Die Grünen haben in ihrem Wahlprogramm die Forderung nach einem generellen Verbot von deutschen Waffenlieferungen in Krisengebiete verankert. Und im Koalitionsvertrag ist das tatsächlich auch festgeschrieben. Kein dreiviertel Jahr später fordern alle prominenten Grünen unisono Waffenlieferungen, inzwischen sogar von schwerem Kriegsgerät.
Die taz, die den Grünen und Linken traditionell nahesteht, kommentiert das wie folgt: „Der grüne Ober-Linke Toni Hofreiter rattert derzeit Vor- und Nachteile von verschiedenen Waffentypen auf, als sei er Repräsentant eines Rüstungsunternehmens. Und nebenbei behauptet er einfach so, nicht seine Prinzipien oder Gesinnung, sondern ,die Realität‘ habe sich geändert. Das ist verwunderlich, denn natürlich hat es auch vor dem Angriff auf die Ukraine Kriege gegeben, deren Realität unerträglich war – in Syrien etwa oder als der IS einen Genozid an den Jesid*innen verübte. Natürlich haben die Grünen eine Kehrtwende vollzogen, und zwar in atemberaubender Geschwindigkeit.“
Soweit die taz.
Die Macht der Bilder könnte entscheidenden Einfluss auf die Unterstützung der Bevölkerung für das weitere Vorgehen der deutschen Regierung haben: auf die Forderung nach Lieferung schwerer Waffen und nach einen Gasembargo. Beides rückt immer stärker in den Fokus. Nord Stream 2, das für die Energieversorgung Deutschlands gebaut wurde und nicht für die Russlands, ist bereits gestoppt. Nord Stream 1 (jährliche Liefermenge: 55 Milliarden Kubikmeter) steht genauso zur Disposition wie die Pipeline, die russisches Gas durch die Ukraine (!) zu uns bringt (40 Milliarden Kubikmeter/Jahr). Über Belarus und Polen erreichen uns 33 Milliarden Kubikmeter russischen Gases.
Hierzulande spielen die Konsequenzen für unsere eigene Versorgung – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Dass ein Gasembargo die Menschen in Deutschland noch stärker treffen würde als Russland: Geschenkt! Dass die Gefahr eines dritten Weltkrieges heraufbeschworen wird: Egal!
Aber genau davor warnen Experten, die die Situation besonnener betrachten. In den Medien kommen sie allerdings kaum bis gar nicht vor: eine auffällige Parallele zur Corona-Politik.
Ex-Brigadegeneral und Berater von Altkanzlerin Merkel, Erich Vad, spricht aus, was einem der gesunde Menschenverstand sagt: „Wir machen im Moment sehr viel Kriegsrhetorik – aus guter gesinnungsethischer Absicht, aber der Weg in die Hölle ist bekanntlich immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Wir müssen den laufenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her denken. Wenn wir den dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“
Ähnlich wie bei „Corona“ werden auch bei der Kriegsfrage die besonnenen Stimmen von einer wie paralysiert wirkenden Mehrheit verdammt.
Was die Bilder von Bergamo möglich gemacht haben, war fatal. Nicht auszudenken, wenn eines Tages auf den vollständigen wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands oder einen Krieg mit Russland Rückschau gehalten werden muss und man feststellt: Es waren die Bilder von Butscha, die den Rückhalt in der Bevölkerung für diese Politik ermöglichten.