Langjähriger Mitarbeiter beschreibt die Entwicklung der ARD zum Propaganda-Medium

Von Thomas Moser
(Thomas Moser hat von 1989 bis 2024 für die ARD gearbeitet. Er hat den Wandel zum Propaganda-Instrument von innen heraus erlebt. Exklusiv beim Hauke-Verlag beschreibt er diese Entwicklung. Sein Fazit: „Wir erleben ein Wahrhaftigkeitsdesaster, das mit demokratischen Verhältnissen nichts zu tun hat.“)

Ohne die Medien hätte sich im Frühjahr 2020 das Corona-Regime nicht etablieren können. Anstatt die fragwürdigen politischen Virus-Verordnungen kritisch zu hinterfragen, wurden sie geradezu propagandistisch mitgetragen. Anstatt in dieser nie dagewesenen Ausnahmesituation einen allgemeinen und offenen Diskurs zu organisieren, wurden die angeblichen Schutzmaßnahmen diktiert und absolutiert. Den öffentlich-rechtlichen Medien, ARD, Deutschlandradio und ZDF, kam aufgrund ihrer Verbreitung und ihres Ansehens dabei eine besondere Rolle zu.
Tatsächlich wurde wirkliche Öffentlichkeit abgeriegelt, keine unbequemen Fragen kamen durch, kein Widerspruch, keine alternativen Sichtweisen. Ab 2022 galt das dann auch für den deutschen Kriegskurs im Russland-Ukraine-Krieg.Wir sind mit einem fundamentalen Medien- und Informationsproblem in diesem Land konfrontiert, mit einem regelrechten Wahrhaftigkeitsdesaster, das mit demokratischen Verhältnissen nichts zu tun hat.
Nun zu mir, der ich ebenfalls Journalist bin. Ich begann meine berufliche Laufbahn 1978 in Baden-Württemberg, absolvierte eine Ausbildung als Redakteur, studierte, musste Zivildienst ableisten und arbeitete seit 1989 als freier Mitarbeiter für mehrere ARD-Anstalten im Bereich Hörfunk: WDR, RBB, Deutschlandfunk, SWR. Das sei auch deshalb erwähnt, weil die beruflichen Qualifikationen, um einen kleinen Vorgriff vorzunehmen, meinen Rausschmiss beim SWR (Südwestrundfunk) jetzt im Juni 2024 nicht verhindern konnten.
Das Betriebsklima in diesem öffentlich-rechtlich verfassten Medium war damals liberal und kollegial. Man konnte auf eine Weise journalistisch arbeiten, wie ich es in privat-geführten Zeitungen nicht kannte. Der Kern der ARD war ihre Unabhängigkeit. Sie ermöglichte schonungslose und wahrhaftige Recherchen und Berichte. Dennoch darf man auch die Konflikte und Einmischungsversuche, die es immer wieder von oben aus der ARD-Hierarchie heraus gab, nicht verschweigen. Ein Beispiel war der erste Irak-Krieg von 1991. Ich arbeitete damals beim WDR in Köln. Weil es in den Redaktionen viele kritische Berichte zu diesem Krieg gab, versuchten Chefredaktion und Intendanz darauf Einfluss zu nehmen, indem sie vor einer „Emotionalisierung“ warnten. Letztlich blieb es bei einem eher ohnmächtigen Versuch. Im Sender herrschte noch ein intaktes Redaktionsprinzip, nach dem die Redaktionen autonom über ihre Berichte entschieden. Die Redaktionen waren durchaus unterschiedlich ausgerichtet, was auch dem inneren Pluralismus der ARD entsprach. Aber sie waren eben in ihrer Arbeit frei.
Mit Corona erlebte dieses ARD-System einen Bruch. Aus Einzelfällen der Einflussnahme wurde Allgemeingültigkeit, ein neues System. Eine innere Redaktionsfreiheit und Pluralismus gab es auf einmal nicht mehr. Von oben wurde eine Linie ausgegeben, an die sich jeder und alle zu halten hatten. Im Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) erging an die Mitarbeiter die Order: „Die Corona-Maßnahmen werden nicht angezweifelt.“ Abweichler wurden ausgegrenzt. Ein Kollege, der anfänglich über die entstehenden Corona-Proteste berichtete, wurde abgezogen, weil er zu sachlich berichtet hatte. Die Funkhäuser wurden geleert, die Mitarbeiter in Homeoffice geschickt und damit isoliert. Dienstreisen wurden verboten und nicht mehr bezahlt, nur, wenn es um Corona gehen sollte, wurden Reporter rausgeschickt.
Journalismus, wie er bis dahin in der ARD gepflegt wurde, störte jetzt nur. Das unabhängige Medium ARD verwandelte sich in ein Propagandainstrument der Corona-Exekutive. Recherchen oder ein Hinterfragen der Corona-Politik gab es nicht. Keine journalistischen Standards mehr, wie Sorgfalt oder Gleichheit. Kurz: Die ARD-Anstalten machten sich zur „Partei“, zur Partei pro Corona-Management. Und mit Beginn des Russland-Ukraine-Krieges wurde diese Haltung dann nahtlos und noch kompromissloser auf die Kriegspolitik Deutschlands übertragen. ARD und ZDF tragen diese Kriegspolitik undifferenziert und kritiklos mit.
Was bis heute verwundert, ist, wie schnell das ging, und wie reibungslos dieser Systemwechsel vollzogen wurde. Es wirkt gerade so, als haben manche ARD-Funktionsträger nur darauf gewartet. Jedenfalls kam er ihnen entgegen. Angesichts der rücksichtslosen Selbstbedienungskultur in der Führungsspitze des RBB könnte man auch sagen, Corona hat offengelegt, was sich in den öffentlich-rechtlichen Medien in den letzten Jahrzehnten an Missständen und Unkultur entwickelt hatte.
Sich zur Partei einer Corona- oder Kriegspolitik zu machen, führt zu einer verhängnisvollen Tendenz: alles Kritische, Abweichende und Gegensätzliche muss abqualifiziert und ausgegrenzt werden. Und zwar auf Kosten der Wahrheit.
Ich habe viele Proteste und Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen beobachtet, habe Corona-Gesetze, wie das Infektionsschutzgesetz,  studiert und analysiert, mit Regierungsstellen telefoniert – darüber berichten konnte ich in der ARD nicht. Ich führte mehrere lange Gespräche mit der Redaktion eines kritischen Radiomagazins beim WDR, ein Beitrag dazu wurde aber nicht ausgestrahlt. Anfang 2021 teilte man mir dann sogar mit, dass ich nicht mehr zum Autorenpool der Sendung, für die ich jahrelang gearbeitet hatte, gehöre. Man begründete das aber nicht etwa mit dem kritischen Herangehen an die autoritäre Corona-Politik. Sondern damit, dass man entschieden habe, bei den Autoren „diverser“ zu werden, sprich: mehr Frauen und Migranten zu berücksichtigen. Äußerliche Diversität sollte also inhaltliche Konformität verschleiern und legitimieren.
Die wahren Gründe für einen Rauswurf werden normalerweise nicht genannt. So schützt sich der Arbeitgeber bzw. der Auftraggeber selbst. Als ich im Juni 2024 vom SWR vor die Tür gesetzt wurde, verhielt es sich ähnlich. Bis dahin war ich zuletzt für eine Kulturredaktion tätig und machte mehrmals im Jahr Buchrezensionen.
Was Corona betraf, übernahm auch der SWR wie alle anderen ARD-Anstalten die übliche abqualifizierende Rhetorik gegen Corona- und  Impfkritiker, die selbst vor offensichtlichen Manipulationen nicht halt macht.
Ein Beispiel: Über eine Corona-Demonstration in einer Kleinstadt bei Heilbronn berichtete der SWR unter dem Titel „Reichsbürger und Querdenker“. Ich war am selben Tag in dieser Stadt, weil ich dort herkomme und beobachtete die Demonstration ebenfalls. Ich bekam mit, wie das SWR-Reporterteam eine Teilnehmerin nach Waffen fragte. Die Frau antwortete wörtlich: „Da distanziere ich mich. Wir laufen in Frieden.“ In dem Fernsehbeitrag unter dem geframten Titel „Reichsbürger und Querdenker“ wird die Situation verfälscht. Der SWR erweckt den Eindruck, die Demoteilnehmerin habe auf eine Frage nach Reichsbürgern geantwortet. Sie sei die einzige gewesen, heißt es obendrein fälschlich, die sich von den Reichsbürgern distanziert habe. Dass der SWR-Kollege explizit nach Waffen gefragt hatte, wird weggelassen. Damit wird die Situation komplett verfälscht. Dass der SWR friedliebenden Bürgern unterstellte, sie würden sich um Waffen bemühen, verschweigt er.
In dem Beitrag kommt außerdem der Polizistenmord des NSU in Heilbronn zur Sprache. Damit wird eine Corona-Demonstration zusätzlich in den Kontext des rechtsterroristischen NSU gesetzt. Am Ende des Fernsehbeitrags geht es noch einmal zu der Demo in jener Kleinstadt bei Heilbronn. Er endet mit der Aussage: „Wie viele hier tatsächlich Reichsbürger sind und den Staat abschaffen wollen: Schwer zu sagen. Nur bei einem sind sich die Beobachter sicher: Sie marschieren mit.“
Das ist nicht nur schlechte journalistische Arbeit, das ist Verschwörungsgefasel und Rufmord. Was wir hier vor uns haben, ist dramatisch und sollte für die künftige Journalistenausbildung unbedingt konserviert werden: Das öffentlich-rechtliche Medium SWR hat Anti-Journalismus betrieben, nicht Information, sondern Desinformation.
Ich habe darüber in einem Internet-Magazin unter der Überschrift berichtet: „Corona-Proteste, der SWR und seine eigenen Verschwörungsfantasien“.
Indem sie ihre Unabhängigkeit aufgeben und sich zum Sprachrohr der Regierenden machen, setzen die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Existenzberechtigung selber aufs Spiel. Die Abschaffung der ARD steht seit langem auf der Agenda des kapitalistischen Rollbacks in Deutschland und wird von einflussreichen Politikern immer wieder mal gefordert. Dafür braucht es weder AfD noch Reichsbürger.
Doch in den Sendern ist man blind geworden für die tatsächlichen Gefahren und Folgen des eigenen Tuns. Bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Tübingen beklagte eine Verantwortliche des SWR einmal, dass das Publikum den Medien nicht mehr verzeihe, wenn sie Fehler machten. „Wir sind weg von einem menschlich verzeihenden Umgang miteinander“, sagte sie. Ihr fiel nicht auf, dass man das gerade für den umgekehrten Fall sagen kann: Sowohl Politik als auch Medien verzeihen bis heute denen nicht, die gegen die Corona-Maßnahmen opponierten und sprechen weiterhin abfällig von Corona-Leugnern oder Querdenkern. Die SWR-Redakteurin merkte nicht einmal, dass die von ihr kritisierte Unversöhnlichkeit  im eigenen Haus praktiziert wird.
Denn aller verordneten Konformität zum Trotz gab es in den ÖR-Anstalten auch Widerspruch. Ole Skambraks war Redakteur beim SWR in Stuttgart. Im Oktober 2021 kritisierte er in einem Internet-Magazin die Berichterstattung des SWR zu Corona. Die Folge war sein Rausschmiss. Ähnlich erging es dem SWR-Redakteur Martin Ruthenberg, der regelrecht entsetzt war, wie falsch und willkürlich seine Kollegen über die Corona-Proteste in seinem Heimatort Freiburg berichteten, wogegen er dann protestierte. Wie tief die Konflikte gingen, kann man vielleicht an jenen Nachrichtensprechern ablesen, die sich weigerten, bestimmte Meldungen vorzutragen, weil sie ihrer Meinung nach Fake News waren.
Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, die nicht einverstanden waren mit dem Kurs ihrer Arbeitgeber, schlossen sich zusammen. Sie entwarfen ein Manifest für einen neuen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Darin heißt es zum Beispiel:
„Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive. (…) Meinungsmache und Berichterstattung verschwimmen zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. (…) Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener Kampfbegriffe wie ‚Querdenker‘, ‚Schwurbler‘, ‚Klima-Leugner‘, ‚Putin-Versteher‘, ‚Gesinnungspazifist‘ und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.“
Das Manifest wurde am 3. April 2024 veröffentlicht und führte zu zahlreichen Reaktionen, Diskussionen, aber auch weiteren Denunziationen. Ich machte mit Ole Skambraks für ein Internet-Magazin ein Interview, in dem er den Satz sagt: „Die Corona-Berichterstattung ist die größte Fehlleistung des Journalismus seit der Gründung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks“. Kurze Zeit später meldeten sich überraschend ein paar Rundfunkräte bei den SWR-Opponenten und baten um ein Gespräch, das am 30. April zustande kam. Sechs Rundfunk- und Verwaltungsräte sowie sechs Erneuerer schalteten sich in einer Zoom-Videokonferenz zusammen. Ich war einer von ihnen. Das Gespräch platzte an der Frage „Öffentlichkeit“, sprich: sollte darüber berichtet werden können oder nicht. Die SWR-Funktionäre plädierten mehrheitlich für „Vertraulichkeit“.  Als sie merkten, dass sie kein leichtes Spiel hatten, verließen vier von ihnen fluchtartig die Konferenz. Für mich Grund genug hinterher ein Protokoll des Gespräches zu veröffentlichen. Der Vorgang interessierte auch die Berliner Zeitung, die online und gedruckt  darüber berichtete.
Mitte Mai wurde im SWR-Programm mein letzter Hörfunkbeitrag, eine Buchkritik, ausgestrahlt. Neue Aufträge bekam ich nicht, Ende Juni wurde mir gekündigt. In einer Email schrieb mir die verantwortliche Redakteurin: „Es tut mir sehr leid, aber ich muss Ihnen mitteilen, dass die Redaktion entschieden hat, dass Sie künftig nicht mehr zum Autor*innenstamm für die Lesenswert Kritik gehören werden. Die Stücke im Kontext der neuen Abendsendung erfordern andere Herangehensweisen, was Stil, Sound und Machart betrifft. Wir wollen die Programm-Reform zum Anlass nehmen, Neues auszuprobieren, dazu gehört auch, dass wir uns von einigen Autor*innen verabschieden.“
Für mich ist der Zusammenhang klar. Ich hatte ja sogar das Privileg, dass mir die Kündigung schriftlich ausgesprochen wurde. Normalerweise geht das geräuschlos über die Bühne. Freie Mitarbeiter bekommen einfach keine Aufträge mehr.
Es erscheint wie unfreiwillige Ironie, dass der Vorgang in gewisser Weise die Notwendigkeit des Manifestes für eine Erneuerung des ÖRR bestätigt. Und er bestätigt auch all jene Kollegen und Kolleginnen, die das Manifest nicht mit ihrem Namen unterschrieben, sondern das nur anonym taten, um sich zu schützen.
Wie soll es mit den öffentlich-rechtlichen Medien weitergehen? Kann man sie überhaupt reformieren? Soll man sie abschaffen? Wahrscheinlich ist es zu früh, um die Frage zu beantworten.
Zu den Hauptproblemen zählt die Verquickung von ÖRR mit den Parteien bzw. Landesregierungen. Sie reicht tief in die Reihen der Rundfunkräte und Verwaltungsräte hinein. Das muss entflochten und getrennt werden. Die Rundfunkräte gehören ebenfalls reformiert. Sie bilden die tatsächlichen gesellschaftlichen Gruppen gar nicht mehr ab. Umstritten ist die Frage der Finanzierung. Auch manche Kritiker wollen die Gebührenfinanzierung beibehalten. Ich denke, wir brauchen ein Modell ohne allgemeinen Zwangscharakter. Leute, die nicht mehr ÖRR hören und schauen wollen, sollen auch nicht dafür bezahlen müssen. Warum zum Beispiel keine Finanzierung nach Nutzung? Doch selbst wenn die ÖRR nicht reformierbar sein sollten, heißt das noch lange nicht, dass sie so ohne weiteres abgeschafft werden könnten. Denn es gibt gewichtige politische Interessen, denen eine regierungstreue ARD lieber ist, als keine ARD. Es könnte also sein, dass das Drama noch Jahre weitergeht.
Jedenfalls: Die notwendige Corona-Aufarbeitung muss auch die Medien im Allgemeinen und die Öffentlich-Rechtlichen im Besonderen mit einbeziehen. Und sie darf nicht beim Jahr 2023 stehen bleiben, sondern muss bis in die Jetzt-Zeit reichen.

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