Bürger gegen Ausbau, Henryk Pilz zurückgetreten, Brandanschlag
Eine riesige Autofabrik im Wald und zudem mitten im Trinkwasserschutzgebiet – konnte das wirklich gutgehen? Als 2020 mit dem Bau der Gigafactory begonnen wurde, jubelte die Landesregierung, der Klimaschutz käme jetzt direkt zu uns. Die Vernichtung von 300 Hektar Wald, der drohende Wassermangel und die Gefahr für das Grundwasser bei der Herstellung von riesigen Batterien – es war alles egal.
Vier Jahre und viele Störfälle später ist die Akzeptanz für die Gigafactory Grünheide auf ein Minimum geschrumpft. Der vorgesehene Tesla-Ausbau, der mindestens weitere 100 Hektar Wald kosten wird, wurde von den Einwohnern Grünheides bei einer Bürgerbefragung mit Zweidrittel-Mehrheit abgelehnt. Die Gemeindeverwaltung musste am 22. Februar das für sie niederschmetternde Ergebnis bekanntgeben. Das Votum ist allerdings nicht bindend. Die Gemeindevertretung kann den Tesla-Plänen dennoch zustimmen. Um das zu verhindern, haben Aktivisten nun das bedrohte Waldstück besetzt und Baumhäuser errichtet.
Der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) betrachtete die Industrieansiedlung im Trinkwasserschutzgebiet von Anfang an kritisch. Das hatte zur Folge, dass die Leitung des WSE Ende September vergangenen Jahres abgesetzt werden sollte. Die Verbandsversammlung, bestehend aus den 16 Mitgliedsgemeinden, lehnte die Abwahl von Verbandsvorsteher André Bähler und seinem Stellvertreter Gerd Windisch jedoch mit großer Mehrheit ab. Am 1. März 2024 trat nun der Vorsitzende der Verbandsversammlung, Erkners Bürgermeister Henryk Pilz, im Zuge der neuesten Enthüllung über verseuchtes Tesla-Abwasser zurück. Der Verbandsvorsteher hatte eine Beschlussvorlage eingebracht, nach der der WSE kein Tesla-Abwasser mehr abnehmen sollte. Tesla hatte den Wasserverband vorher vor einem Entsorgungsstopp gewarnt: „Ihnen ist bekannt, dass der Stopp einer Einleitung der Abwässer der Gigafactory zu einem Produktionsstopp der Gigafactory führen würde. Ein solcher Beschluss verursacht täglich einen Schaden in Millionenhöhe“, schrieb Tesla an WSE-Chef André Bähler und den zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Vorsitzenden der Verbandsversammlung, Henryk Pilz.
Die Verbandsversammlung vertagte die Entscheidung auf unbestimmte Zeit. Henryk Pilz zog die Konsequenz und trat mit sofortiger Wirkung zurück. „Ich bin nicht mehr bereit, in dieser Konstellation die Verbandsversammlung nach außen hin zu vertreten“, sagte Pilz der dpa. Tesla leitet also weiter sein weit über den Grenzwerten verschmutztes Abwasser ein und der Landkreis erklärt, dass keinerlei Gefahr für die Bevölkerung bestünde. Bei vielen Bürgern stellt sich jedoch die Frage, wofür es dann Grenzwerte und ein Trinkwasserschutzgebiet überhaupt gäbe.
Am 5. März eskalierte die Situation weiter. In Folge eines Brandanschlages fiel bei Tesla, aber auch in Erkner und Teilen Köpenicks der Strom aus. Betroffen außerdem: das Gewerbegebiet Freienbrink.
In Steinfurt, das zu Gosen-Neu Zittau gehört, gab es am 5. März um 4:50 Uhr einen lauten Knall. Das Umspannwerk stand in Flammen. Zwei Stunden später zogen sich die Einsatzkräfte fluchtartig zurück, weil sie in der Nähe des brennenden Trafos einen Zettel fanden, auf dem stand: „Kampfmittel hier verbuddelt“.
Nachdem Tesla zu Lockdownzeiten riesige Waldflächen rodete und die Errichtung der Gigafactory ohne spürbare Proteste durchziehen konnte, eskaliert nun die Situation. Zu den Gegnern der Autofabrik an diesem Standort zählten von Anfang an die BI Grünheide sowie der VNLB Brandenburg, das Bürgerbündnis Grünheide, die ÖDP und die AfD. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Gemeindevertretung, im Kreistag und in der Landesregierung konnten sie sich jedoch nur wenig Gehör verschaffen.
Zurzeit wird der Freienbrinker Kreisel wegen Tesla zu einer riesigen Ampelkreuzung umgebaut. Auch hier sind zahlreiche Bäume in allen vier Richtungen abgeholzt worden. Außerdem sollen zwischen den Ortsteilen Hangelsberg und Kienbaum weitere 370 Hektar Wald für Windräder vernichtet werden; es geht um Klimaschutz! Das Wort von „Grauheide“ macht die Runde. Ob die Bevölkerung die weitere Vernichtung ihrer Heimat genauso klaglos wie bisher hinnehmen wird, erscheint angesichts der Eskalation um Tesla zumindest fraglich.
Michael Hauke