von Jan Knaupp

Zu meiner Rechtfertigung kann ich sagen, die Tanzschule war nicht meine Idee. Doch der Teufel wohnt im Weibe!
Es war ein schöner Sonntagmorgen, die Sonne strahlte, der Frühstückstisch war gedeckt, es roch nach frischem Kaffee. Doch die Idylle war trügerisch. Bevor ich herzhaft in das erste frische Brötchen beißen konnte, schlug die spezifisch weibliche Boshaftigkeit der mir gegenübersitzenden, sonst eigentlich sehr liebenswerten Person, mit aller Gewalt auf mich ein. „Schatz, was hältst du davon, wenn wir uns zur Tanzschule anmelden? Es wäre doch schön, wenn wir so etwas auch mal zusammenmachen könnten.“ Ich erstarrte. Meine Kaumuskeln erlitten einen Schlaganfall. Der erste Satz wurde gleich mit diesem vorwurfsvollen „…wenn wir so etwas auch mal zusammen…“ untermauert. Normalerweise, hat man hier als Mann schon verloren. Zum Glück fiel mir das liebe Geld ein. Was so etwas kostet … und überhaupt … die Zeit und so. Und wir könnten doch eher mal zusammen angeln gehen. Nee, nee, das lassen wir mal lieber. Ein langes Gesicht: „Na ja, wenn du nicht willst, ich werde dich nicht zwingen…“. Glück gehabt. Das Thema war für mich vom Tisch. Für sie nicht. Sie hat im Untergrund agiert. Sie hat gebohrt, sie hat gesäuselt.
Na, Sie wissen schon, worauf die Geschichte hinausläuft. Wir waren in der Tanzschule. Ich möchte bemerken, dass ich nichts gegen das Tanzen habe, solange man mich damit verschont. Das örtliche Telefonbuch hat weitaus mehr musikalisches Taktgefühl als meine Person. Vielleicht wurde ich ja bei meiner Erbauung falsch zusammengesteckt. Das würde jedenfalls meine ungelenken Bewegungen erklären. Tanz hat für mich auch nichts mit Freude zu tun, eher mit Krämpfen, Schweißausbrüchen, heißen Ohren und Stoßgebeten zur Erlösung. Doch es blieb mir nicht erspart. Sieben Donnerstagabende ging es in Richtung Bad Saarow, hin zu meinem Martyrium.
„Eins, zwei, tipp“ – das ging ja noch. Nicht, dass ich dabei durch Rhythmusgefühl überzeugt hätte, aber ich bewegte mich doch etwas von der Stelle. Trotzdem muss schon dabei mein Gesichtsausdruck Bände gesprochen haben. So fragte mich der Tanzlehrer mit mitleidigem Tonfall: „Na, Sie wurden wohl gezwungen?!“
Doch die Härtefälle kamen noch. Beim Tango hatte ich massive Probleme mit dem abrupten Richtungswechsel, so dass wir fast schnurgerade den Saal durchpflügten. Beim schnellen Walzer ging dann gar nichts mehr. Mein Körper verweigerte die Mitarbeit. An die anderen Tänze kann ich mich kaum erinnern. Angstverdrängung!
Doch auch so ein Tanzkurs geht einmal zu Ende. Obwohl an diesem Ende ja noch das Horrorszenario Abschlussball stand. Natürlich freuten sich alle darauf. Außer mir. Doch irgendein Geschickelenker hatte Mitleid. Durch welche Umstände auch immer, es gab es keinen Abschlussball. Dafür wurde ein Frühstücksbrunch mit Tanzeinlagen daraus.
Nun raten Sie mal, wo ich mich bei Einsetzen der Tanzmusik befand? Erstaunlicherweise stand ich meistens am Buffet. Bedächtig wählte ich die Speisen aus. Langsam kauend, mich auf‘s Essen konzentrierend und nicht vom Teller aufblickend. Natürlich bin ich um das Hauptanliegen der Veranstaltung nicht ganz herumgekommen. Das macht man ja auch nicht. Erst recht nicht, wenn sich die Partnerin gern auf der Tanzfläche bewegt. Also habe ich in meinen Essenspausen getanzt. Nicht oft, nicht lange und nicht schön.
So, jetzt wissen Sie Bescheid, jetzt kennen Sie die ganze Wahrheit. Eigentlich habe ich mit diesen Vorkommnissen ja abgeschlossen.
Eine Sache verstehe ich aber immer noch nicht. Was treibt das weibliche Geschlecht dazu, uns in solche Gefahrensituationen zu treiben? Was treibt uns Männer dazu, entgegen unserer Natur, den ganzen Quatsch auch noch mitzumachen? Und woher nehmen unsere Holden im Nachhinein noch die Frechheit für solch realitätsfremde Aussprüche wie: „Nun tu mal nicht so, so schlimm war es doch gar nicht!“
Aber genau das beweist es wieder. Der Teufel wohnt im Weibe!

Dieses „So gesehen“ stammt aus dem gleichnamigen Buch, welches im Softcover mit 224 Seiten für 7,95 € erhältlich ist:
• Hauke-Verlag, Alte Langewahler Chaussee 44, Fürstenwalde
• Buchhandlung Zweigart, Berliner Str. 21, 15848 Beeskow

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